Boffzen (mm). Immer seltener schaffen es Spieler aus dem ländlichen Raum in die Jugendbereiche von Bundesligisten zu kommen. Ein Gegenbespiel, das man es doch schaffen kann, stellt der aus Boffzen stammende Luis Ortmann dar. Seit mittlerweile dreieinhalb Jahre kickt der Stürmer in der Jugend beim SC Paderborn, was für uns Grund genug war, um mit ihm gemeinsam in die Interviewreihe der Winterpause 2019/2020 zu starten.

Im Gespräch verrät Ortmann, welchen Aufwand er in den letzten Jahren betrieben hat, um sich sportlich bei den Paderbornern zu entwickeln, in welchen Ligen er gespielt hat, welche Erfolge er bisher sammeln konnte und wie die Chance stehen, als Eigengewächts beim SCP Profi zu werden.

Redaktion: "Schön, dass du dir für uns Zeit nimmst."

Luis: "Sehr gerne."

Redaktion: "Wie bist du zum Fußball gekommen und mit wievielen Jahren hast du im Verein angefangen?"

Luis: "Ich habe bereits mit drei -vier Jahren mit meinem älteren Bruder Jannis (Anm.d.Red.: aktueller Spieler der ersten Mannschaft des SV Höxter) im Garten gekickt. Dann ging es auch relativ schnell in den Verein. Unter Ingo Neils habe ich dann bei der JSG Boffzen/Fürstenberg angefangen. Dort bin ich auch relativ schnell zum Offensivspieler geworden."

Redaktion: "Auch in Auswahlmannschaften warst du schnell vertreten."

Luis: "Ja, genau. In der Holzmindener Kreisauswahl habe ich unter Andreas Struck und Klaus Kowalski gespielt. Mit den aktuellen Kreisligaspielern Justian Brandt (TSV Kirchbrak) sowie Marvin und Leon Wessel (TSV Holenberg) habe im Stützpunkt unter der Leitung von Werner Brennecke viel dazugelernt. Nach dem Stützpunkt sollte ich eigentlich weiter in die Niedersachsenauswahl nach Barsinghausen. Dies hat sich durch meinen Wechsel nach NRW aber zerschlagen. Dafür habe ich im Kreis Höxter neben der C-Jugend in Brakel auch im Stützpunkt gekickt."

Redaktion: "Warum hast du die JSG Boffzen/Fürstenberg in Richtung Brakel verlassen?"

Luis: "Ich habe als D-Jugendlicher damals in unserer C-Jugend Bezirksligamannschaft gespielt. In der Bezirksliga sind wir dann auch ziemlich deutlich abgestiegen. In der Folgesaison gab es bei der JSG Boffzen/Fürstenberg keine C-Jugendmannschaft, sodass ich mir eine andere Mannschaft suchen musste. Unter Thorsten Kraut habe ich bei der SpVg Brakel ein Probetraining absolviert, wo ich dann auch angenommen wurde und unter ihm zwei Jahre spielen durfte."

Redaktion: "Wie blickst du auf deine Zeit in Brakel zurück?

Luis: "Ich habe etwas gebraucht, um mich an die Landesliga gewöhnen, zumal ich im ersten Jahr noch als Rechtsverteidiger eingesetzt wurde. In der Saison haben wir souverän die Klasse gehalten, was auch das Saisonziel war. Im zweiten Jahr lief es dann sowohl für das Team als auch für mich wesentlich besser. Ich habe teilweise im rechten Mittelfeld oder im Sturm gespielt und bin mit 21 Toren auch Torschützenkönig geworden. Die Saison haben wir in den TOP 5 abgeschlossen. Insgesamt war es eine tolle Zeit. Dafür bin ich Brakel auch sehr dankbar."

Redaktion: "Gegen welche Teams habt ihr mit Brakel in der Landesliga gespielt?"

Luis: "Wir haben unter anderem gegen Paderborn, Rödinghausen, Lippstadt, Verl und Münster gespielt. Die Duelle haben mich sehr weitergebracht. Mit diesem Verlauf habe ich echt nicht gerechnet."

Redaktion: "Wann kam der Kontakt zum SC Paderborn zu Stande?"

Luis: "Im Frühjahr haben sie bei mir angefragt und mich zum Probetraining eingeladen. Ich habe dann zweimal mittrainiert und den Trainer überzeugt. Ich war in den Gesprächen zunächst für die U16 vorgesehen, die wie Brakel, in der Landesliga gespielt haben, sodass ich mir die Frage gestellt habe, ob der Aufwand sich lohnen würde, um in der gleichen Liga zu spielen. Dann kam aber relativ schnell die Nachricht, dass sie mich gern für die U17, die Westfalenligamannschaft, haben möchten. Diesen Sprung wollte ich dann gerne machen. Brakel hat mir auch keine Steine in den Weg gelegt und ich wurde weiterhin von meinem Trainer Thorsten Kraut unterstützt, zudem der Kontakt nie abgerissen ist."

Redaktion: "Wie bist du dann zu den Trainingseinheiten und zu den Spielen gekommen?"

Luis: "Da ich mein Abitur in Höxter gemacht habe, hatte ich an den Trainingstagen meist bis 15 Uhr Schule. Gegen 16.10 Uhr saß ich im Zug und bin dann abends um 21 Uhr zurück in Boffzen gewesen. Klar war das viel Aufwand, den ich betrieben habe, aber ich habe die Fahrzeit immer effektiv für Hausaufgaben und für's Lernen genutzt. Zu den Spielen ist mein Vater dann gefahren. Meine schulische Leistung hat darunter aber nicht gelitten, sodass ich am Ende auch mit meinem Abischnitt zufrieden war."

Redaktion: "Wie verlief deine B-Jugend Zeit in Paderborn?"

Luis: "Die B-Jugend Zeit war gut für meine Entwicklung. In der ersten Saison haben wir uns ein Zweikampf mit Preußen Münster, um den Aufstieg in die Bundesliga geliefert. Im zweiten Jahr haben wir dann den Aufstieg in die Bundesliga geschafft, wo ich in der Westfalenliga mit 16 Treffern auch Torschützenkönig geworden bin".

Redaktion: "In deiner ersten A-Jugend Saison hast du den Abstieg aus der Bundes- in die Westfaliga miterlebt. Wie kam es zu dem Abstieg?"

Luis: "Wir sind endgültig erst am letzten Spieltag abgestiegen. Wir mussten mit fünf Toren Unterschied in Oberhausen gewinnen und Münster musste verlieren. Münster hat gewonnen und wir haben 3:3 gegen Oberhausen gespielt. Leider waren wir schwach in die Spielzeit gestartet und hatten auch einen Trainerwechsel. Gegen Ende der Saison haben wir uns gesteigert, was jedoch dann zu spät war."

Redaktion: "Wie blickst du selbst auf deine bisher einzige Saison in der Bundesliga zurück?"

Luis: "Ich habe zunächst eher selten von Anfang an gespielt und kam dann immer als Einwechselspieler rein. Aber ich hatte gegen Ende der Saison eine gute Phase, wo ich fünf - sechs Spiele von Beginn an spielen durfte und das Vertrauen auch mit fünf Bundesligatoren zurückzahlen konnte."

Redaktion: "Wie läuft die aktuelle Saison?"

Luis: "Wir haben das Ziel, uns individuell und auch als Mannschaft ständig weiter zu entwickeln und sind mit sechs Siegen stark in die Saison gestartet. Leider hatten wir mit einer Niederlage und einem Unentschieden einen Durchhänger. Dank des Sieges am vergangenen Wochenende, bei dem ich das Siegtor in der letzten Minute erzielt habe, sind wir aber wieder Erster. Ich hoffe, dass das nach den letzten beiden Hinrundenspiele auch so bleiben wird."

Redaktion: "In dieser Saison trägst du sogar die Kapitänsbinde. Wie kam es dazu?"

Luis: "In der Vorbereitung hat der Trainer bei den Spielen getestet, sodass mehrere Spieler mal die Kapitänsbinde auf dem Platz getragen haben. Am Ende der Vorbereitung hat der Trainer mit uns geredet und mich als Kapitän festgelegt. Dieses Amt habe ich dann natürlich gerne angenommen."

Redaktion: "Mit 18 Jahren hast du auch schon dein erstes Herren-Oberligaspiel für die U21 des SC Paderborn absolviert. Welche Unterschiede konntest du erkennen?"

Luis: "Da konnte man schon große Unterschiede erkennen. Besonders das Tempo, welches die Spieler auf dem Spielfeld gehen, war viel höher als im Jugendbereich."

Redaktion: "Gibt es auch schon Spieler, gegen die du gespielt hast, die bereits in der Bundesliga spielen?"

Luis: "Ich habe gegen Armel Bella-Kotchap vom VfL Bochum gespielt, welcher im DFB-Pokalspiel gegen Bayern kurz vor Schluss wegen eines Handspiels die Rote Karte sah. Aber ansonsten gibt's noch ein paar weitere Spieler, die schon einen Profivertrag unterschrieben haben."

Redaktion: "Beim SCP gibt es einen Perspektivkader - Was ist das genau?"

Luis: "Während der Länderspielpause leitet das Profitrainerteam um Cheftrainer Steffen Baumgart Trainingseinheiten für die Talente aus der U17, U19 und U21. Da war ich letzte Saison öfter schonmal dabei. Mit diesem Kader haben wir ja auch das Benefizspiel in Brakel bestritten. Das ist eine super Sache und man kann sich dadurch nochmal beweisen. Es gibt jedoch keinen festen Perspektivkader. Das ändert sich jedes Mal aufs Neue, je nachdem wie die Leistungen in den einzelnen Mannschaften sind. Es könnte somit auch sein, dass ich bei schwächeren Leistungen beim nächsten Mal nicht mehr dabei bin."

Redaktion: "Wie ist Steffen Baumgart als Trainer?"

Luis: "Man merkt, dass er von seiner Idee Fußball zu spielen voll überzeugt ist und er vorallem gewillt ist, junge Spieler zu entwickeln. Er lebt den Fußball! Die Jugendmannschaften des SCP spielen ja auch nach dem System, wie es die aktuelle Bundesligamannschaft macht."

Redaktion: "Du hast das Benefizspiel in Brakel angesprochen. Wann hast du erfahren, dass du dabei sein darfst und wie fandest du es unter so vielen Zuschauern zu spielen?"

Luis: "Ich habe Anfang der Woche erfahren, dass ich dabei sein werde, was mich natürlich gefreut hat. Steffen Baumgart hat einfach gesagt, dass wir rausgehen sollen und es genießen sollen, vor so einer Kulisse zu spielen. Für mich war es das erste Mal vor so einer großen Kulisse - und dann auch noch in Brakel. Das hat schon richtig Lust gemacht und klar wollte ich mich auch zeigen. Aber letztendlich ging es an dem Abend nicht um das Sportliche, sondern vielmehr um den guten Zweck."

Redaktion: "Wie lebst du jetzt in Paderborn und was machst du derzeit außer Fußball?"

Luis: "Ich absolviere derzeit beim Kreissportbund ein freiwilliges soziales Jahr und lebe mit vier meiner Mannschaftskollegen in einer WG. Ich habe im Prinzip nur dienstags frei und fahre meist samstags nach den Vormittagseinheiten nach Boffzen. Unsere Spiele finden in der Regel, egal ob heim oder auswärts, sonntags um 11 Uhr statt."

Redaktion: "Dein Vertrag endet im Sommer. Wie geht es dann weiter?"

Luis: "Die Gespräche werden im Frühjahr stattfinden und dann werde ich sehen, wo mich der Weg hinführt. Mein Ziel ist es jedenfalls höchstmöglich zu spielen und mich weiterzuentwickeln, ohne Druck. Meine Eltern unterstützen mich immer so gut es geht und mein Bruder war nie neidisch, sondern hat mich ebenfalls gut unterstützt."

Redaktion: "Wie siehst du deine Chance? Hattest du mal Anfragen von anderen Vereinen?"

Luis: "Aus guten Jahrgängen haben immer so drei - vier Spieler einen Profivertrag bekommen. Die trainieren bei der ersten Mannschaft und bekommen dann ihre Einsätze bei der U21. Ich hatte mal im Jugendbereich eine Anfrage von Arminia Bielefeld, dies kam jedoch aufgrund des Abiturs und da ich mich beim SCP sehr wohlfühle nicht infrage. Zudem finde ich in Paderborn super Bedingungen vor, um mich als Spieler zu entwickeln. Dies ist auch der Hauptgrund, warum ich mich nie mit einem Vereinswechsel befasst haben, sodass ein Wechsel nach Bielefeld nie eine Option war."

Redaktion: "Hast du noch Kontakte zu Spielern vom FC 08 Boffzen? Guckst du dir in deiner Heimat auch mal Spiele an?"

Luis: "Felix Senftleben, Maxi Bost und Pascal Krause sehe ich gelegentlich mal. Ich versuche eigentlich immer die Boffzer Jungs bei den Derbys gegen Fürstenberg und Holzminden zu unterstützen, was aber zeitlich nicht immer klappt. Ansonsten guck ich öfter mal bei meinem Bruder in Höxter zu oder ab und zu auch noch in Brakel."

Redaktion: "Danke, dass du uns so viel Einblick in dein Fußballerleben gegeben hast. Wir wünschen dir für deine Zukunft alles Gute und bleib vor allem gesund und möglichst verletzungsfrei."

Luis: "Dankeschön. Ich melde mich, wenn es etwas Neues von gibt!"

Foto: mm